Fachkräfteentwicklung – Fachkräftemangel in den Hilfen zur Erziehung

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Während die Fachkräftediskussion in der frühkindlichen Bildung breit in der Öffentlichkeit geführt wurde, blieb der Fachkräftemangel in den Erziehungshilfen lange Zeit unerwähnt. Der Bedarf wurde jedoch schon in den Nullerjahren angezeigt. In dramatischen Berichten aus der Praxis und Appellen von Fachkräften seit Ende 2022, wurde darauf hinwiesen, dass der Kinderschutz nicht mehr gewährgeleistet werden könne. Dies führte zu Diskussionen um die Auslegung des Fachkräftegebotes und um die Absenkung fachlicher Anforderungen an das Personal - z.B. in Form von Quereinsteiger*innenprogrammen. Einige Bundesländer reagierten mit Standardanpassungen für Mitarbeitende in den erzieherischen Hilfen sowie mit Standardabsenkungen insbesondere für unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Freie sowie öffentliche Träger investieren vermehrt Zeit und Geld, um Fachkräfte zu gewinnen sowie zu binden. In den Debatten und Maßnahmen ist die Bezugnahme auf die Rechte junger Menschen im Rahmen des Fachkräftemangels jedoch kaum zu hören bzw. zu lesen. Droht den stationären
Hilfen zur Erziehung damit die Gefahr einer De-Professionalisierung? Oder können die Absenkung fachlicher Standards bei einem Teil des Personals und Quereinsteigerprogramme Teil der Lösung sein? Was braucht es noch, um das Feld zu stärken, nicht nur für Fachkräfte, sondern vor allem im Interesse der jungen Menschen in den Einrichtungen?

Das vorliegende Heft widmet sich diesen Fragestellungen aus verschiedenen Perspektiven. Zunächst geben Sandra Fendrich und Thomas Rauschenbach einen Überblick über Entwicklungslinien beim Personal in den Hilfen zur Erziehung. Demnach ist die Zahl der Beschäftigten seit 2008 zwar stark gestiegen. Gleichzeitig sorgen Altersstruktur und hohe Fluktuationsraten – die stationären Erziehungshilfen sind für junge Fachkräfte ein Einstiegs- und damit Durchgangsarbeitsfeld – für einen auch künftig hohen Personalbedarf. Carola Kuhlmann zeichnet die lange Zeit prekäre Geschichte fachlicher Anforderungen an das Personal in der Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen nach und unterstreicht so die Bedeutung des aus dieser Geschichte entspringenden Fachkraftgebotes.
Dabei wird auch deutlich, dass Fachlichkeitsanforderungen zwar nicht gefeit sind vor politischer Indienstnahme, ihr fehlen gleichwohl ein großes Risiko für die betreuten jungen Menschen darstellt. Innenansichten zur aktuellen Situation liefern Nikolaus Meyer und Elke Alsago. Sie beschreiben Corona bedingte Veränderungen in den Hilfen zur Erziehung und deren Fortwirken über die Pandemie hinaus. In der Folge fallen aus Sicht der Fachkräfte Anspruch und Realität zunehmend auseinander, gerät ihr professionelles Selbstbild unter Druck. Katharina Heinrich berichtet aus der Perspektive einer Careleaverin und Fachkraft über die Konsequenzen des Fachkräftemangels für das Alltags- und Beziehungserleben junger Menschen in den Einrichtungen. Diesen Konsequenzen ist mit mehr Personal allein nicht beizukommen. Vielmehr bedarf es des Zusammenspiels von fachlicher Kompetenz und individueller Eignung, um pädagogische Beziehungen zu gestalten, die von Sicherheit, Vertrauen, Sensibilität und Respekt getragen sind. Die Beiträge von Jack Weber sowie Melanie Kubandt und Wolfgang Schröer schließlich blicken auf die Ausbildung von Fachkräften.

Im Ergebnis einer kritischen Diskussion von Tendenzen zur Absenkung fachlicher Anforderungen an das Personal, bspw. in Ausnahmeregelungen oder Quereinsteigerprogrammen, benennt Weber eine Reihe bisher wenig bedachter Implikationen für Profil und Praxis der Erziehungshilfen. Dabei weist er solche Regelungen und Programme nicht per se von der Hand, plädiert aber für einen kritischen Umgang auf Basis wissenschaftlicher Begleitung und Evaluation. Kubandt und Schröer schauen auf die Fachschulen und diagnostizieren zum einen eine Fokussierung auf den Bereich der frühkindlichen Bildung, die zu Lasten der Erziehungshilfen geht. Zum anderen zeigen auch sie, dass die Heimerziehung für viele Fachschulabsolvent*innen lediglich ein Einstiegsarbeitsfeld darstellt. Vor
diesem Hintergrund fordern sie eine Debatte um Arbeitsbedingungen und eine Neupositionierung der Erziehungshilfen in fachschulischen Ausbildungsgängen.


Thomas Drößler, Walburga Hirschbeck, Josef Koch

Preis
€12.00
Seiten
64
Erscheinungsjahr
2024
Ausgabe
4
Sammelband
Nein
Ausgabe Jahr
2024