Digitales Studierenden-Kolloquium
Regionales Studierenden-Kolloquium von FH Dortmund, EvH Bochum und IGfH
Im Sinne der Nachwuchsförderung und der Vernetzung junger Nachwuchskräfte am Ende ihres Studiums richtet die IGfH seit 2007 ein Kolloquium für Studierende in der Abschlussphase aus. Im Rahmen der Veranstaltung stellen Student*innen der Sozialen Arbeit ihre geplanten, laufenden oder beendeten Abschlussarbeiten zum Themenbereich „Hilfen zur Erziehung“ vor und diskutieren diese in gemeinsamer Runde mit Kommiliton*innen, Dozierenden und weiteren fachlichen Vertreter*innen aus der gesamten Bundesrepublik. Seit 2019 findet das Studierendenkolloquium nun in leicht veränderter Form regionalisiert mit Anbindung an Hochschulen aus dem IGfH-Netzwerk statt.
Für das Wintersemester 2020/2021 begrüßten am 8. Januar 2021 die lokalen Gastgeber*innen Prof.´in Dr.´in Nicole Knuth für die FH Dortmund gemeinsam mit Prof. Dr. Dirk Nüsken für die EvH Bochum und Fachreferentin Lisa Albrecht für die IGfH rund 20 Studierende zum diesjährigen Studierendenkolloquium, das ursprünglich in der Aula der EvH hätte stattfinden sollen.
Obwohl die Veranstaltung coronabedingt letztlich digital via Zoom ausgerichtet werden musste und damit die Begegnung im allseits bekannten „Kachel-Format“ per Webcam stattfand, luden schwerpunktmäßig drei Präsentationen von teils abgeschlossenen, teils sich noch im Schreibprozess befindenden spannenden Abschlussarbeiten zu einem „Thinking outside the box“ ein.
Zu Beginn präsentierten drei Student*innen, Sina Rademacher von der FH Dortmund, Mona Kristin Wedel und Lina Diedich von der EvH Bochum, ihre abgeschlossenen oder noch laufenden Abschlussarbeiten.
Den Auftakt machte Sina Rademacher mit ihrem Thema „Beendigungen von Heimerziehung. Eine Studie zu subjektiven Sichtweisen auf Abbrüche“. Die Arbeit fragt nach Gründen für außerplanmäßige Abbrüche von stationären Hilfen. Obwohl sich die Arbeit zum Zeitpunkt der Veranstaltung noch im Schreibprozess befand, zeigen erste Ergebnisse und Ankerbeispiele aus Interviews, dass neben häufig individualisierten Gründen der fehlende Einbezug von Eltern und Familiensystem sowie ökonomische Drucksituationen und finanzielle Erwägungen der Trägerseite zu tendenziell eher fremdbestimmten als tatsächlich subjektiv passenden Hilfen und damit zu Abbrüchen führen. Früh eingesetzte Elternarbeit, bspw. schnittstellenübergreifend in Kindergärten, zeitlich entzerrte Aufnahmeprozesse in den Einrichtungen mit Raum für ein besseres und umfangreicheres gegenseitiges Kennenlernen und eine stärkere Fokussierung der Familiengerichte auf die Beteiligung von jungen Menschen, bieten hier erste Ansatzpunkte.
Es folgte Mona-Kristin Wedel mit ihrer Abschlussarbeit zum Thema „Kinderschutz und das Barnahus-Modell […]“. Das skandinavische Barnahus-Modell („Haus des Kindes“) setzt eine kindfokussierte Fallklärung bei sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen um, indem alle beteiligten Akteur*innen (z.B. Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitswesen, Justiz etc.) an einem Ort mit kindgerechten Räumlichkeiten zusammenarbeiten. Ziel ist es, während des Verfahrens die Belastungen für Kinder und Jugendliche möglichst gering zu halten und zeitgleich kurze Prozesse zu gestalten. Aus der Analyse der Umsetzung in Skandinavien und vereinzelten Häusern in Deutschland („Childhood-Häuser“) heraus wurden Umsetzungsmöglichkeiten im deutschen Kinderschutzsystem geprüft. Die Vorteile des Modells und grundsätzlich ermöglichende rechtliche Rahmenbedingungen lassen eine schrittweise und engmaschig evaluierte Implementierung in bereits vorhandene Kinderschutzstrukturen und -konzepte (z.B. Kinderschutzambulanzen/ -gruppen) als sinnvoll erscheinen.
Der erste Teil des Fachtags schloss dann mit der dritten Präsentation von Lina Diedich zum Thema „Care Leaver an Hochschulen − Erfahrungen, Ressourcen und Bewältigungsleistungen“ ab. Hierzu wurden Careleaver*innen an Hochschulen, hier Studierende von der EvH Bochum, zu Erfahrungen, Ressourcen und Bewältigungsleistungen im Übergang und während ihres Studiums befragt. Es zeigte sich: Careleaver*innen, die studieren wollen, müssen viel höhere Hürden nehmen als ihre Peers, da sie deutlich früher den Schritt in ihr eigenes Leben machen, dabei jedoch über deutlich weniger soziale, materielle und immaterielle Ressourcen verfügen. Während des Übergangs konnten die Befragten auf keine stabilen soziale Netzwerke zurückgreifen, die gleichzeitig als Gelingensfaktor benannt wurden. Indem deutlich wird, dass die Bildungsorientierung der jungen Menschen zu wenig fachliche Aufmerksamkeit und Unterstützung erhält, wirft die Arbeit auch insgesamt Fragen nach Bildung in Hilfen zu Erziehung auf.
Im zweiten Teil des Fachtags erhielten die Studierenden Gelegenheit, in aktuelle Fachdiskurse aktiv einbezogen zu werden, diese mit- und weiterzudenken, indem die vorgestellten Erkenntnisse auf daraus abzuleitende fachpolitische Fragestellungen und praxisrelevante Implikationen reflektiert wurden.
Der Fachtag schloss mit einem virtuellen Peer-to-Peer-Austausch, bei dem persönliche Erfahrungen und hilfreiche Tipps zum Schreibprozess im Homeoffice während einer doch besonderen Studienabschlussphase in Zeiten von Corona im Fokus stand.
In einem abschließenden Blitzlicht verdeutlichten die Teilnehmer*innen noch einmal, wie inspirierend sie das Kolloquium erlebt hatten und wie angenehm und anregend der hochschulübergreifende Austausch und das Feedback waren. Vor allem die gegenseitigen Beratungen von frisch gebackenen Absolvent*innen und Studierenden in der Abschlussphase, das Knüpfen von standortübergreifenden Kontakten und der fachpolitische Austausch im Übergang in die berufliche Praxis wurden sehr gelobt und den veranstaltenden Institutionen zur unbedingten Wiederholung empfohlen.
Lina Diedich (EvH Bochum), Sina Rademacher (FH Dortmund), Mona-Kristin Wedel (EvH Bochum) mit Lisa Albrecht (Fachreferentin, IGfH), lisa.albrecht [at] igfh.de (lisa[dot]albrecht[at]igfh[dot]de)