Die Zukunft der Inobhutnahme gemeinsam gestalten

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Kinder und Jugendliche, deren Wohl gefährdet ist, müssen in Krisen- oder Notsituationen – sofern keine anderen Maßnahmen zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung möglich sind – vom Staat in Obhut genommen werden. Die Inobhutnahme hat damit in der Kinder- und Jugendhilfestruktur und insbesondere für Kinder und Jugendliche in kritischen Lebenssituationen  eine herausgehobene  Stellung. Eine Inobhutnahme kann durch Hinweise von Dritten (bspw. Ordnungsdienste, Schulen usw.) angeregt werden, oder die betroffenen Minderjährigen richten ihren Wunsch nach einer Unterbringung selbstständig an Schutzeinrichtungen (Selbstmeldungen).

Wird eine Inobhutnahme angeordnet und geschehen diese Maßnahmen gegen den Willen der Sorgeberechtigten, geht dies mit einem Eingriff in die Grundrechte der Eltern einher und stellt das gesamte Familiensystem in der konkreten Gefahrenabwehr, aber auch in der weiteren Hilfeplanung vor eine große Herausforderung. Die zuständigen Fachkräfte im ASD stehen oft vor schwierigen, hoch emotionalisierten Entscheidungen, die sicheres und nicht selten schnelles Handeln erfordern. Bei solchen Schutzeingriffen die Beteiligungsrechte von Eltern und Jugendlichen nicht aus dem Auge zu verlieren, ist eine entscheidende Voraussetzung, um Hilfeverfahren im Interesse der Betroffenen zu gestalten. Oft berichten Jugendliche von Erfahrungen der Ohnmacht und Fremdbestimmung, die nicht nur das Verhältnis zu ihren eigenen Schutzmaßnahmen beschreiben, sondern generell ihre Beziehung zur Kinder- und Jugendhilfe kennzeichnen. In der Praxis scheinen Schutzmaßnahmen vornehmlich als Verfahrensvorschrift der Sozialen Dienste verstanden zu werden und weniger als eine überaus anspruchsvolle pädagogische Tätigkeit. Einigen dieser hier nur skizzierten Herausforderungen geht die folgende Schwerpunktausgabe nach und will damit einen Beitrag leisten, die fachlichen Anforderungen der Inobhutnahme als eine öffentliche Pflichtaufgabe wieder deutlicher als pädagogischen Auftrag zu kennzeichnen.

Michael Behnisch und Claudia Sailer widmen sich in ihrem Beitrag den Themen, Strukturen und Prozesse im pädagogischen Umgang  mit jungen Menschen und Bedingungen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes ‚Inobhutnahme‘. Sie skizzieren Gelingensfaktoren, wie ein ‚gutes‘ Handeln unter den gegebenen Bedingungen möglich ist. Corinna Petri geht in ihrem Beitrag der Frage nach, wie es bei Inobhutnahmen im Zwangskontextgelingen kann, sozialpädagogische Interventionen so zu gestalten, dass sie auch als Hilfe für junge Menschen und ihre Familien ankommen? Das Interview von Sabine Simon mit vier Frauen, die in der Bereitschaftspflege arbeiten, thematisiert die Potenziale und Herausforderungen der Bereitschaftspflege in der Inobhutnahme-Landschaft. Tobias Franzheld und Carolin Neubert arbeiten in ihrem Beitrag anhand einer Fallgeschichte Hürden für Selbstmeldungen in der Inobhutnahme heraus und formulieren drei Forderungen für die Fachdiskussion und -entwicklung. Norbert Struck befürchtet eine „Allianzen der Träger der öffentlichen und der freien Jugendhilfe, die beiderseits daran interessiert sind, sich der Anforderungen an die Unterbringung und Unterstützung der UMF möglichst kostengünstig zu entledigen“. Er fordert Widerstand gegen die Qualitätsabsenkung bei der Versorgung von jungen Geflüchteten. Thomas Trenczek erläutert und kommentiert in seinem Beitrag die wesentlichen gesetzlichen Regelungen bei der Durchführung von Schutzmaßnahmen und hebt dabei auch die Bedeutung von 24h-Bereitschaftsdiensten im Jugendamt (ASD) hervor. In einem Interview mit drei geflüchteten jungen Menschen wird deutlich, dass sie sich in der Inobhutnahme allein gefühlt haben, sozialpädagogische Unterstützung zu Beginn nicht vorhanden war und Deutschkurse erst spät ermöglicht wurden. Simone Janssen stellt in der Rechtsspalte die rechtlichen Grundlagen für freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme vor. Sie resümiert „Vor diesem Hintergrund lässt sich kritisch hinterfragen, inwieweit ein Freiheitsentzug im Rahmen der Inobhutnahme konzeptionell […] vereinbar ist.“

Tobias Franzheld, Claudia Sailer und Stefan Wedermann

 

 

Themen
Preis
€12.00
Seiten
64
Erscheinungsjahr
2024
Ausgabe
3
Sammelband
Nein
Ausgabe Jahr
2024