Selbstorganisation und Selbstvertretung junger Menschen und Eltern

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ForE:1_2023

Die jüngste Reform des SGB VIII hat mit dem § 4a den allgemeinen Partizipationsanspruch junger Menschen um einen Anspruch auf selbstorganisierte Zusammenschlüsse zur Selbstvertretung nicht nur in den Einrichtungen, sondern auch – zumindest mitberatend − in den Jugendhilfeausschüssen, in den AG-78 und in sonstigen die Jugendhilfepraxis bestimmenden Gremien erweitert. Die öffentliche Jugendhilfe wurde damit verpflichtet, Zusammenschlüsse von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern anzuregen und zu fördern. In der Gesetzesbegründung heißt es, man wolle dem Leitgedanken „Nichts über uns ohne uns“ in den Strukturen jugendhilfespezifisch „vollumfänglich Rechnung“ tragen bzw. man wolle junge Menschen „konsequent an Entscheidungsprozessen“ beteiligen. Ist der neue § 4a SGB VIII eine gute Grundlage, (auch benachteiligte) junge Menschen ausreichend gut zu politisieren sowie gegen institutionelle (Über-)Macht zu positionieren?

Dieses ForE-Heft will den Bedingungen, unter denen sich junge Menschen „selbst organisieren“ und „selbst vertreten“ nachgehen: Welche konflikttheoretischen Bearbeitungsmöglichkeiten haben junge Menschen in der Sozialen Arbeit? Welche rechtlichen Voraussetzungen formuliert der Wortlaut des neuen § 4a SGB VIII als Förderungs- und Unterstützungsbedingungen und wie sind diese begründet? Was sind passende und erprobte Formate der Selbstorganisation junger Menschen in der Jugendhilfe, was braucht es dafür an persönlichen Unterstützungen? Was brauchen junge Menschen in der Jugendhilfe an Rahmenbedingungen und verbindlichen strukturellen Verankerungen, um sich zur Selbstvertretung, zur besseren Beachtung ihrer Interessen zu engagieren? Was sind die notwendigen und möglichen Gegenstände und Begründungen bislang nur begrenzt zugelassener Mitentscheidung z. B. in der Leistungsgewährung und -erbringung? Wer vertritt hier mit welchem Recht wen? Bei der Antwortsuche geht es auch um die Frage: Ist der neue § 4a SGB VIII nur Symbolpolitik oder Chance, bzw. getraut sich nun jemand, jungen Menschen relevante Entscheidungsbefugnisse zu geben?

Der erste Beitrag zum Themenschwerpunkt von Barbara Schäuble und Ulrike Eichinger analysiert den Umsetzungsgrad und die inhärenten Widersprüche des neuen §4a SGB VIII und die damit angestrebte Ausweitung von Beteiligungs- und Selbstvertretungsprozessen für junge Menschen und Eltern in der Kinder- und Jugendhilfe. Hierfür beschreiben die Autor*innen das grundlegende Spannungsfeld der unterschiedlichen Positionen zwischen Adressat* innen und Expert*innen/Fachkräften und stellen Überlegungen an, wie diese Kräfteverhältnisse weiter demokratisiert werden könnten. Der Beitrag von Nicole Rosenbauer und Peter Schruth befasst sich mit dem gesetzlichen Auftrag des neuen § 4a SGB VIII, dem Regelungsinhalt der Rechtsnorm, einer Einordnung im SGB VIII und diskutiert unter der Frage ‚Chance oder Symbolpolitik?‘ das Spektrum von Potenzialen und Gefahren in der Umsetzung des Auftrags, selbstorganisierte Zusammenschlüsse zur Selbstvertretung junger Menschen z. B. in den Hilfen zur Erziehung anzuregen und zu fördern.

Elsa Thurm und Björn Redmann beschreiben in ihrem Beitrag nach einer kritischen Beurteilung der Beteiligungspraxis von Kindern, Jugendlichen und Eltern ihre Erfahrungen mit gelingenden Beteiligungsprojekten und was hilfreich für die Entwicklung und Bestärkung von Selbstvertretungsstrukturen von Adressat*innen in der Jugendhilfe ist. In einem Interview gibt Laurette Rasch Antworten auf ihre Erfahrungen als Careleaverin in einem Jugendhilfeausschuss.

Schließlich dokumentieren Karn Born und Luca Müller übergreifende Kernforderungen und ihre persönliche Erfahrungen im Rahmen eines Hearings mit Bundestags- und Familienausschuss-Politiker*innen, an dem sie als landes- und bundesweite Interessensvertreter* innen von und für junge Menschen in der stationären Jugendhilfe teilgenommen haben.

Nicole Rosenbauer, Peter Schruth

Aus dem Inhalt

Barbara Schäuble, Ulrike Eichinger:  §4a SGB VIII – Ein Terraingewinn,

der umkämpft bleibt

Nicole Rosenbauer, Peter Schruth: Der neue § 4a SGB VIII − ein Auftrag im Spannungsfeld von Chance oder (nur) Symbolpolitik?

Elsa Thurm, Björn Redmann: Wie junge Menschen und Eltern im Kontext der Jugendhilfe in (ihrer) Selbstorganisation unterstützt werden können

Laurette Rasch und Robin Loh im Gespräch mit der ForE-Redaktion: Erste Erfahrungen mit der Selbstvertretung in einem Jugendhilfeausschuss

Karn Born und Luca Philipp Müller: Listen to us! Selbstvertretung von jungen Menschen und Eltern in einem Hearing des Bundestages – ein Bericht

Michael Behnisch, Katharina Joos: „Da hab ich meine Ruhe, bin allein und kann mich auch zurückziehen“. Überlegungen zur Privatsphäre junger Menschen in der Heimerziehung

Andreas Mairhofer, Christian Peucker, Liane Pluto, Eric van Santen: Digitale Kommunikation sozialer Dienste mit Jugendlichen in Zeiten der Corona-Pandemie – Herausforderungen und Perspektiven für die Zukunft

 

 

Themen
Preis
€12.00
Seiten
64
Erscheinungsjahr
2023
Ausgabe
1
Sammelband
Nein
Ausgabe Jahr
2023