Umgang mit Jugendkriminalität

ForE_2_1998

Wie gesellschaftlich auf die zunehmende Delinquenz Jugendlicher zu reagieren ist, wird - so muß man fürchten- zum Thema des Bundestagswahlkampfes, bietet sich doch bei all den vielen anstehenden und augenscheinlich komplizierten Reformprojekten hier ein wohlfeiles Feld, wo Ängste vieler Bürgerinnen bedient und Politik sich zugleich als zupackend und handlungsfähig zeigen kann. Bedenklich ist, wie sehr im politischen Diskurs über Kinder- und Jugendkriminalität eine Frontstellung zwischen der Fach- und der NichtFachwelt entstanden ist: Vom Papier der Jugendministerkonferenz vom Juni 1997 "Kinder- und Jugenddelinquenz - eine Herausforderung auch für die Jugendhilfepolitik" (siehe ForE 4/97) über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (siehe S. 122 ff.) und den Fachverbänden ( AFET , DVJJ, DBH, EREV , IGfH ) zur aktuellen, von fast 100 Verbänden aus dem Sozial- und Erziehungsbereich getragenen Initiative des DPWV gegen Geschlossene Unterbringung (S. 96 f.) votiert die gesamte Fachwelt fast einhellig, mit vielen guten Gründen und erfahrungsgesättigt für einen (re-)sozialisierend-helfenden Weg. Genauso klar scheint aber dem "Rest der Welt", daß der liberale Umgang mit Problemkids gescheitert und nun wieder eine härtere Gangart vonnöten sei. Es vergeht kein Monat, in der nicht irgendein Innenminister eines Bundeslandes schärfere Gesetze oder zumindest mehr geschlossene Heime einfordert, und keine Woche, in der nicht irgendeine Zeitung anhand monströser Einzelfälle das Scheitern der Sozialpädagogenzunft zelebriert. Selbst die sich gerne als kritischer Gegenöffentlichkeit verpflichtet sehende "taz" fragt (am 26.2.1998) nur scheinbar ratlos: "Was tun mit muskelbepackten Skinheads, die sich über das ,Gelaber' wohlwollender Pädagogen nur lustig machen?"

Wir, die Fachwelt, werden uns ernsthaft mit dieser öffentlichen Stimmung auseinandersetzen und überlegen müssen, wie wir überzeugend dagegen halten, und eine pädagogisch ausgestaltete, an den Adressatinnen und an "Hilfe" orientierte Jugendarbeit vor repressiven Zugriffen bewahren können. Vor allem - so scheint mir - ist hier eine gute Öffentlichkeitsarbeit gefragt!

In diesem Heft werden - im Themenschwerpunkt und unter "Internationales" - ein Teil der Beiträge des internationalen Expertentages der IGfH "Wenn Erziehung zur Strafe wird ... - zum Verhältnis von Jugendhilfe und Justiz im internationalen Vergleich" am 9. Oktober 1997 in Erfurt dokumentiert. Neben der kritischen Darstellung und Analyse der deutschen Debatte von Dorothee Bittscheidt verdeutlichen die Beiträge von Andrew Hosie aus Großbritannien, Hans Valentin Sehroll aus Österreich und ]aroslaw Utrat-Milecki aus Polen, daß auch den Erfahrungen unserer europäischen Kolleginnen zufolge man im Umgang mit jugendlichen Straffälligen gut daran tut, nicht vorrangig auf justiziell-repressive Reaktionen zu setzen.

Wolfgang Trede