Output ohne Input

ForE_3_1995

Auf - im wörtlichen Sinne - ungeheure Resonanz ist der Bericht Nr. 9/1994 der Kommunalen Gemeinschaftsstelle (Lindenallee 13-17, 50968 Köln) mit dem Titel "Outputorientierte Steuerung der Jugendhilfe" gestoßen - und dies nicht nur, wie zu vermuten wäre, bei Diplom-Kameralisten und anderen Fachleuten der öffentlichen Verwaltung, an die sich der Bericht vorrangig richtet. Nein, wie das Kaninchen auf die Schlange, starrt die sozialpädagogische Zunft auf die kräftig daherschwappende Woge betriebswirtschaftlichen Jargons, teils weil die fremden Begriffe und Gedankengebäude erst mal beeindrucken (und verstanden sein wollen), teils aus berechtigter Angst, mit der eigenen Arbeit in neue Legitimationsnöte zu kommen, teils weil versucht wird (wir leben ja im entideologisierten Zeitalter), das vielleicht sozialpädagogisch Produktive herauszufiltern.

Was ist denn nun eigentlich das Aufregende am neuen Steuerungsmodell? Daß man in den einzelnen Teilbereichen der öffentlichen Verwaltung mehr "output-", also ergebnisorientiert arbeitet, scheint ebenso vernünftig, wie es sinnvoll ist, die Hilfestrukturen des Jugendamtes von den gewünschten Zielen her zu organisieren versuchen. Wenn sich das Kollegium im Amt, aber auch in Einrichtungen und Projekten freier Träger Fragen stellt wie: "Was wollen wir eigentlich erreichen und sind unsere Strukturen und Arbeitsvollzüge dem dienlich?", so können dadurch wichtige Prozesse der Organisations- und Personalentwicklung angeschoben werden. Die Brisanz entsteht durch die mit der Steuerungsdebatte verbundenen Prämisse der Kostenbegrenzung bzw. 98 -senkung: Es geht nicht primär um bessere soziale Dienste (z. B. gemäß den Bedürfnissen von Hilfeempfängern), sondern um billigere. Wenn man durch eine vernünftigere Organisation der Jugendhilfe, z. B. durch eine Qualifizierung der Hilfeplanung, zu besseren und billigeren Diensten käme, wäre allen Genüge getan. Ich bin an dieser Stelle jedoch eher skeptisch, weil in der Jugendhilfe das- systematisch bedingte-" Technologiedefizit der Pädagogik" (Luhmann/ Schorr) nicht so einfach zu beheben ist, wie dies manche Projekte (siehe Schrapper in diesem Heft) voraussetzen. Im Ergebnis droht dann eine Standardverschlechterung sozialpädagogischer Dienste unter dem dann nur noch schönfärbensehen Begriff der Outputorientierung.

Die Beiträge zum Themenschwerpunkt reflektieren kritisch diese hier nur angerissene Debatte. Norbert Struck referiert die zentralen Begriffe des Modells und kritisiert insbesondere, daß in den bisherigen Publikationen der KOSt die strukturelle Besonderheit der Jugendhilfe kaum Berücksichtigung finde. (Am Rande bemerkt: Eine genauere sprachanalytische Durchforstung der aktuellen Debatte wäre sicherlich auch interessant. Denn die Sachangemessenheit von Begriffen wie "Kunde" - oder gar "Kundenpfade" - und "Produkt" ist zumindest zweifelhaft. Vielleicht kann man in 10 Jahren darüber ebenso schmunzeln, wie wenn wir heute in Texten aus den 70er Jahren etwas über das "Klassenbewußtsein des Lohnarbeiter-Erziehers auf dem Hintergrund spätkapitalistischer Entwicklungen" lesen.)

Ulrich Bürger setzt fünf Thesen zu den bedarfsbeeinflussenden Faktoren der Hilfen zur Erziehung in Bezug zum Neuen SteuerungsmodelL Er plädiert für einen - was die Kostenseite betrifft - ergebnisoffenen Umbauprozeß der Jugendhilfe, da pauschal abgegebene Einsparungsversprechen an kommunalpolitische Gremien sich ftir die Jugendhilfe als Argumentationsfalle erweisen könnten.

Christian Schrapper berichtet von einem Modellprojekt an eben dieser "sensiblen Schnittstelle von Geld und Pädagogik, von fachlicher Forum Erziehungshilfen, 1. Jg. 1995, H. 3 Qualität und finanzieller Effizienz", das z. Zt. in Kooperation mit vier Jugendämtern in NRW stattfindet und versucht, das Problem, wie in der Jugendhilfe durch bessere Arbeit Geld gespart werden kann, zu lösen.

Wolf Onnasch stellt verschiedene derzeit praktizierte bzw. diskutierte Finanzierungsformen der Hilfen zur Erziehung vor und diskutiert spezifische Chancen und Risiken.

Reinhard Wiesner befaßt sich mit der Diskussion um eine Novellierung des § 77 KJHG im Sinne einer Anpassung an die neuen Kostenregelungen des BSHG und äußert Bedenken, ob eine Anpassung der bisherigen liberalen Kostenregelung an § 93 BSHG den fachlichen Anforderungen des KJHG entsprechen würde.

Aufruf zur Mitarbeit bei " INTEGRA " Besonders aufmerksam machen möchte ich Sie auf den Bericht über das geplante Projekt " INTEGRA " (siehe ab Seite 129). Die Abkürzung steht für "integrierte regionalisierte Angebote" in der Jugendhilfe, wobei das Projekt ein Forum bzw. Netzwerk von Kolleginnen und Projekten/Einrichtungen/ Diensten (freie und öffentliche Träger) aus verschiedenen Regionen werden soll, die in ihrem Bereich versuchen, integrierte, flexible und milieunahe Angebotsstrukturen aufzubauen. Ein Gründungstreffen für das Projekt " INTEGRA ", zu dem alle Interessierten herzlich eingeladen sind, ist für den 28. September 1995 in Leipzig geplant.

IGfH -BIIderwettbewerb für Kinder und Jugendliche Wie sehen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ihren Alltag in den Erziehungshilfen? "Alltäglich bunt- alltäglich grau!" ist das Thema eines mit attraktiven Preisen ausgestatteten Bilderwettbewerbs, den die IGtH ausgeschrieben hat (siehe Seite 119). Bitte kopieren Sie die Ausschreibung und/oder machen Sie sie auf andere Weise bei jungen Menschen in Erziehungshilfen bekannt!

Wolfgang Trede

Erscheinungsjahr
1995
Ausgabe
3
Sammelband
Nein
Ausgabe Jahr
1995