Professionell handeln in integrierten Erziehungshilfen

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Eine integrierte sozialraumbezogene Organisation der Hilfen zur Erziehung in Jugendhilfestationen bzw. regionalen Jugendhilfezentren (vgl. u.a. Forum Erziehungshilfen Heft 1/1996) scheint nach wie vor die interessanteste, vielleicht sogar die einzig erfolgversprechende Antwort auf die an Grenzen der Effektivität und Legitimität stossende differenzierte und spezialisierte Jugendhilfe zu sein. So einleuchtend, ja faszinierend der integrierte Ansatz von unmittelbar an den Bedürfnissen der Hilfesuchenden in einem Sozialraum orientierten Erziehungshilfen zur Zeit auf weite Teile der Fachwelt wirkt, so skeptisch werden die Mienen, wenn es um die Verwirklichung der integrierten Konzepte geht. Kritische Fragen richten sich besonders darauf, wie denn die konzeptionell geforderte ,,Allzuständigkeit" personal umgesetzt werden kann. Einzelfall- und Gruppenarbeit, komm- und geh-strukturierte Settings, stationäre und ambulante Hilfen, Arbeit mit Kindem, Jugendlichen, Eltern und Honoratioren im Stadtteil - wer soll das bloß alles können? Werden in integrierten Hilfen nicht alle Errungenschaften einer auf Professionalität setzenden Sozialen Arbeit einem allzuständigen Dilettantismus geopfert? Und: Klappt so etwas, wenn, dann nur mit wenigen "Superpädagoglnnen" oder elitären Pionierlnnen, d.h. nicht in der Breite? Ist es eine "Arbeit für Selbstausbeuter", bei der "was vorher viele hochprofessionell und spezialisiert erledigt haben, nun von einzelnen in einer Hütte gemacht wird", wie ein Teilnehmer beim 1. Bundestreffen INTEGRA (siehe den Tagungsbericht weiter hinten) meinte?

Wenn es so wäre, dann könnte man das Konzept der integrierten Hilfen getrost 'ad acta' legen unter der Rubrik "Ambitioniert, aber zu idealistisch". Dies ist meines Erachtens nach jedoch nicht notwendig. Denn wenn man einmal von den tatsächlich etwas hochgestochenen Konzepten absieht - z.B. der Forderung, jede Hilfe für jeden Einzelfall gleichsam neu zu erfinden, wenn man also einmal anschaut, was praktisch gemacht wird, dann muten die professionellen Anforderungen durchaus umsetzbar an, und stellen dennoch Herausforderungen dar. Gewiß wird nicht jede Hilfe neu erfunden, eine Herausforderung ist es aber auch, mit der Zeit so etwas wie eine "Baukastenprofessionalität" (Rolf Lambach) zu entwickeln. Sicherlich wird nicht jede/r einzelne Sozialpädagogln entspezialisiert und generalistisch agieren können, viel gewonnen wäre aber, wenn sich Kolleginnen erst mal zuständig fühlen würden und das Gesamtteam- als Summe unterschiedlicher Kompetenzen, aber einer gemeinsamen Grundhaltung - generalistisch wirken könnte. Schließlich dürfte eine tatsächlich neue Anforderung in der Sozialraum- bzw. Gemeinwesenorientierung als einem für integrierte Erziehungshilfen bedeutsamen Arbeitsprinzip liegen. Hierbei wird es zukünftig wichtig sein, mit den benachbarten Praxen z.B. der mobilen Jugendarbeit oder der Schulsozialarbeit enger in Verbindung zu treten. Zu den Beiträgen in diesem Heft:
Friedhelm Peters und Mechthild Wolff arbeiten einige zentrale Probleme professionellen Handeins in einschlägigen Projekten heraus, als da wären: Überkomplexität, Selbstüberschätzung und Heroisierung, Respezialisierungstrends und Generationenkonflikte zwischen Pionierinnen und Neuen. Diese Probleme können Peters/Wolff zufolge nur über die Sicherung von Reflexionsverfahren in den Teams gelöst werden. Kurt Hekele setzt genau hier an, wenn er sein Modell einer "ganzheitlichen Qualitätssteuerung" sozialer Arbeit vorstellt. Mathias Schwabe und Uschi Münz beschreiben anband praktischer Beispiele aus dem Alltag eines Projektes flexibler Hilfen für Mädchen notwendige Kompetenzen der Mitarbeiterlnnen: Es geht u.a. um das jeweilige Finden der Balance zwischen Flexibilität/Lockerheit und Klarheit/Zuverlässigkeit und - auch hier wieder- um die Etablierung von Verfahren (z.B. der Entscheidungsfindung bzw. -korrektur), die professionelles Handeln zu sichern vermögen.
Wolfgang Trede