IKJHG: Verabschiedung in dieser Legislaturperiode faktisch gescheitert
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Zwischen Forderungen nach Änderung des Bundesrats, Finanzierungsfragen der Länder und der vorgelegten Gegenäußerung der Bundesregierung ist eine Verabschiedung in dieser Legislaturperiode zeitlich nicht mehr möglich.
Am 27.11.24 veröffentlichte das Bundeskabinett den – zu diesem Zeitpunkt unerwarteten –Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Ausgestaltung der Inklusiven Kinder- und Jugendhilfe (IKJHG). Der Bundesrat befasste sich am 20.12.24 mit dem Gesetzesentwurf und verabschiedete eine Stellungnahme. Grundsätzlich befürwortet der Bundesrat die Ausrichtung des Gesetzesentwurfes, forderte jedoch einige Änderungen. Auf die Stellungnahme des Bundesrats reagierte die Bundesregierung Ende Dezember mit einer Gegenäußerung. Aufgrund des engen Zeitplans des Bundestages, der bis zur Wahl lediglich zu eineinhalb Sitzungswochen zusammenkommt, war der Ausgang des Gesetzesvorhabens von vorneherein unsicher. Nachdem die erste Lesung zum Gesetzesentwurf nicht auf die Tagesordnung der ersten Sitzungswoche Ende Januar gesetzt wurde, ist eine Verabschiedung nicht mehr möglich . Neben der notwendigen ersten Lesung im Bundestag wären noch Anhörungen im Familienausschuss sowie die Zustimmung des Bundesrates und des Bundestages notwendig gewesen.
Hinzu kommen inhaltliche und finanzierungsbezogene Differenzen zwischen den Bundesländern und der Bundesregierung. Großer Dissens besteht insbesondere bei der Forderung der Länder nach einer Kostenbeteiligung des Bundes.
Zuletzt haben der Bundesrat bzw. die Länderausschüsse in ihrer Stellungnahme zum IKJHG-Regierungsentwurf vom 20.12.2024 die Bundesregierung u.a. zu den folgenden Änderungen aufgefordert, die darauf am 15.01.2025 mit einer Gegenäußerung reagierte (BT-Drucksache 20/14505):
- Eine der prominesten Forderungen des Bundesrats bezieht sich auf eine Änderung des Finanzausgleichsgesetzes (FAG). Der Bundesrat kritisiert, dass die finanziellen Mehrbelastungen der Länder und Kommunen, die durch die Umsetzung des IKJHG entstehen, im bisherigen Regierungsentwurf weder angemessen berücksichtigt noch realistisch beziffert wurden.
- Der bisherige § 1 Abs. 2 des FAG regelt die finanzielle Verteilung zwischen Bund und Ländern, enthält jedoch keine spezifische Anpassung für die Mehrkosten, die sich durch die Einführung des IKJHG ergeben. Dies betrifft insbesondere die Umstellungskosten für die Reform sowie die dauerhaft anfallenden Belastungen, beispielsweise durch die Einführung von Verfahrenslotsen und die zu erwartende Zunahme der Fallzahlen im Bereich der Hilfen zur Erziehung und der Eingliederungshilfe.
Der Bundesrat fordert, dem § 1 FAG einen neuen Absatz 7 hinzuzufügen, der eine vorsieht: „…die genannten Beträge für die Länder erhöhen sich entsprechend um 60 Millionen Euro im Jahr 2025, um 60 Millionen Euro im Jahr 2026, um 60 Millionen Euro im Jahr 2027, um 180 Millionen Euro im Jahr 2028, um 180 Millionen Euro im Jahr 2029 und um 180 Millionen Euro im Jahr 2030. Ab dem Jahr 2031 verringern sich die in Absatz 2 genannten Beträge für den Bund unbefristet um jeweils 120 Millionen Euro jährlich; der genannte Betrag erhöht sich entsprechend für die Länder ab dem Jahr 2031 unbefristet um jeweils jährlich 120 Millionen Euro“ (BT-Drucksache 20/14505: S. 8). Zusätzlich schlägt der Bundesrat eine rückwirkende Inkraftsetzung der Regelung zum 1. Januar 2025 vor, um die Finanzierung bereits frühzeitig sicherzustellen. Diese Änderung erfordert auch eine Anpassung von Artikel 8 des Gesetzentwurfs. - Durch Änderungen in der Formulierung von § 27a soll mit Blick auf Schulbegleitung für junge Menschen mit Unterstützungsbedarf eine gemeinsame Leistungserbringung (Pooling-Lösung) klarer als bislang rechtlich verankert werden (famrz.de vom 20.01.2025). So war es bislang nur auf Wunsch der Erziehungsberechtigten möglich, dass „…die Betreuenden auch andere Kinder unterstützen. Künftig soll es grundsätzlich möglich sein, die betreuenden Personen in einem Pool zusammenzufassen – insbesondere bei mehreren leistungsberechtigten Kindern oder Jugendlichen in einer Klasse. Vorausgesetzt, die Erziehungsberechtigten stimmen zu. Der Bundesrat empfiehlt, dass Leistungen nach § 27a Absatz 3 Satz 3 SGB VIII nicht nur auf Wunsch, sondern mit Zustimmung der Leistungsberechtigten grundsätzlich gemeinsam erbracht werden sollen. Dies soll insbesondere für Schüler*innen gelten, die gemeinsam eine Klasse besuchen“, so bildungsklick.de (20.12.2024). In ihrer Gegenäußerung hat die Bundesregierung angekündigt, diese Forderung zu prüfen.
- Außerdem fordert der Bundesrat eine verbindliche Informationspflicht und verbindliche Regelungen zur Kooperation, Kommunikation und Informationsübermittlung zwischen verschiedenen Jugendämtern aber auch zwischen Jugendämtern und freien Trägern vor Ort für den Bereich der stationären Einrichtungen und des Pflegekinderwesens. Diese Änderungen betreffen § 37 SGB VIII. Auch diesen Vorschlag wollte die Bundesregierung zuletzt, wie in der Gegenäußerung angekündigt, prüfen (vgl. bspw. DIJuF vom 16.01.2025).
- Zudem forderte der Bundesrat, die neu im Regierungsentwurf vorgenommene Konkretisierung des Fachkräftegebots zurück zu nehmen und Artikel 1 Nummer 38 in § 72 Absatz 1 Satz 2 SGB VIII zu streichen. Diese Forderung lehnte die Bundesregierung ab (vgl. ebd.)
Nach den intensiven Diskussions- und Beteiligungsprozessen der letzten Jahre ist es umso enttäuschender, dass der Gesetzesentwurf, der von der Fachwelt breit getragen wird, in dieser Legislaturperiode nicht verabschiedet wird. Nach der Bildung einer neuen Regierung wird die IGfH sich für eine zügige Fortführung des Reformvorhabens einzusetzen, das an dem aktuellen Diskussionsstand und den Vorarbeiten auszurichten ist.
Quellen: