Schiedsstellen nach dem SGB VIII - Erfahrungen, Spannungsfelder
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Schiedsstellen im SGB VIII (§ 78 g SGB VIII) erscheinen zunächst vielleicht als ein etwas sprödes Thema für die juristische Fachdiskussion, das den sozialpädagogischen Alltag in Einrichtungen kaum berührt. Aber der Schein trügt. Wenn Entgelte „prospektiv“, also nach § 78 d SGB VIII „für einen zukünftigen Zeitraum“ abzuschließen sind und „nachträgliche Ausgleiche“ nicht zulässig sind, dann braucht es Verfahren und Strukturen, durch die vermieden wird, dass durch Blockade-Praktiken wirtschaftliche Vorteile zulasten fachlicher Erfordernisse zu erreichen ve sucht werden. Das wird im SGB VIII durch Bestimmungen zum Vereinbarungszeitraum (§ 78 d SGB VIII) und Regelungen für die Schiedsstellen (§ 78 g SGB VIII) versucht.
Die Beiträge in diesem Heft versuchen, die Balanceakte, vor die sich Schiedsstellen gestellt sehen, für Fachlichkeit und Fairness einerseits und wirtschaftliche Rationalität andererseits zu so gen, gestellt sehen, deutlich zu machen.
Juliane Meinhold und Norbert Struck zeigen im Einleitungsartikel auf, wie die Entgeltparagrafen (§ 78 a-g) ins SGB VIII hineinkamen, welche Bedeutung diese Neuregelungen und ihre Auslegu gen für das Verhältnis der Träger der Jugendhilfe zueinander haben und warum auch Selbsto ganisationen junger Menschen Forderungen an das Finanzierungssystem stellen.
Monika Goral berichtet von ihren Erfahrungen in den ersten Sitzungen als Mitglied einer Berliner Schiedsstelle. Sie skizziert vier Konfliktfälle, die in der Schiedsstelle verhandelt wurden. Im Fazit betont sie, dass rechtliche Kompetenz für Schiedsstellenverfahren wichtig ist, dass aber Konfliktlösungen oft auch eher aus der sozialpädagogisch-fachlichen Kompetenz der Schiedsste lenmitglieder entspringen.
Gila Schindler untersucht aktuelle Streitpunkte der Schiedsstellenpraxis und geht dabei zunächst der Frage nach, welche inhaltlichen Streitfragen die Beanspruchung einer Schiedsstelle auslösen. Der Beitrag ist aus der Perspektive einer Schiedsstellenvorsitzenden und Fachanwältin verfasst. Auf dieser Grundlage werden drei inhaltliche Streitpunkte dargestellt und diskutiert, die in der Schiedsstellenpraxis häufiger vorkommen: die Problematik der Gewinnerzielung, das Th ma des Nachweises von Gestehungskosten zur Plausibilisierung des prospektiven Entgelts und die Verhandlungen zu den erforderlichen Personalstellen, insbesondere mit Blick auf eine inklus ve Kinder- und Jugendhilfe.
Reinhard Wiesner untersucht die Rechtsstellung von Schiedsstellen im SGB VIII. Er beschreibt die Kontexte der Entwicklung der Regelungen der §§ 78a ff SGB VIII und befasst sich im Anschluss daran mit der Frage, welche Gegenstände schiedsstellenfähig sind, welchen Rechtsch rakter Schiedsstellen haben, wie die personelle Besetzung von Schiedsstellen geregelt, das Ve fahren vor der Schiedsstelle rechtlich zu qualifizieren und wie der Rechtsschutz gegen Entsche dungen der Schiedsstelle ausgestaltet ist. Im Ergebnis wird eine klärende Intervention des Bundesgesetzgebers gefordert, bei der auch die Schiedsstellenfähigkeit ambulanter Leistungen aufgenommen wird.
Julia Hahndorf, Peter Schäfer und Koralia Sekler berichten über die Erfahrungen aus 25 Jahren Austausch von Mitgliedern der Schiedsstellen nach §§ 78 g SGB VIII, den der
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organisiert. Der Beitrag weist auf zusammenfassende Publikationen aus diesem Arbeitszusammenhang hin und markiert die Aufgaben der Weiterentwicklung des Rechts der Schiedsstellen im Hinblick auf die Einbeziehung ambulanter Hilfen – insbesondere angesichts der Perspektiven auf eine Einb ziehung junger Menschen mit Behinderungen in den Rechtskreis der Kinder- und Jugendhilfe.
Peter Schruth thematisiert schließlich Reformbedarfe der Schiedsstellenverfahren. Dabei geht es ihm insbesondere um eine Modernisierung der Verfahrensabläufe, die erweiterte Zuständigkeit der Schiedsstellen auch für ambulante Leistungen, um die Prüfkriterien für eine leistungsgerechte Entgeltfeststellung in Streitfällen, den Ausgleich unternehmerischer Risiken und einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz mit der kommenden inklusiven Jugendhilfe.
Juliane Meinhold, Peter Schruth, Norbert Struck