Jungenarbeit

ForE 3-2004

Wo bleibt die Jungenarbeit? Diese Frage ist insbesondere zu Beginn der 90er Jahre so oder ähnlich oft gestellt worden. Es war die Zeit, in der sich die geschlechtsreflektierende Arbeit mit Jungen in sozialpädagogischen Arbeitsfeldern u konstituieren begann – mittlerweile hat sie zumindest einige Etablierungsprozesse hinter sich gebracht.

Für den Bereich der (teil-)stationären Erziehungshilfen jedoch ist die Frage nach der fehlenden Jungenarbeit bis heute aktuell. Von einer Etablierung jedenfalls kann in den Handlungsfeldern der Heimerziehung nicht die Rede sein; sowohl systematisch-konzeptionell als auch in der Praxis führt die reflektierte pädagogische Arbeit mit Jungen und männlichen Jugendlichen ein Schattendasein. Grund genug, diese bisher vernachlässigte Perspektive in unserem Thementeil aufzugreifen und einmal den Blick auf ein „Thema im Schatten“ zu richten: Warum konnte sich Jungenarbeit in diesem Bereich der sozialen Arbeit kaum durchsetzen? Oder ist die geschlechtsspezifische Perspektive für die (teil-)stationären Erziehungshilfen gar nicht relevant? Diesen Fragen wendet sich der erste Beitrag von Michael Behnisch zu. Dabei werden Gründe einer bislang ausbleibenden Etablierung ebenso herausgearbeitet wie mögliche Reflexionsgewinne, die sich unter Einbeziehung einer jungenspezifischen Perspektive ergeben können.

Versteht sich der Einführungsbeitrag als systematisch und problemformulierend, so haben wir uns für den weiteren Verlauf dieses Themenheftes das Ziel gesteckt, bestehende Ansätze darzustellen, Impulse und Anregungen zu verleihen sowie zur Diskussion zu ermuntern. In Ergänzung zu den (allerdings wenigen) systematischen Publikationen zum Thema möchten wir also einen „Erfahrungsschatz“ zugänglich machen und andeuten, wie sie konkret aussehen kann: die Jungenarbeit in der Heimerziehung. Dies geschieht aus unterschiedlichen, vorwiegend aus der Praxis gewonnenen Perspektiven:

Im gemeinsamen Beitrag von Michael Michels, Andreas Moorkamp werden Projekte aus den Bereichen der ambulanten Erziehungshilfe und der Krisenintervention anhand von Fallbeschreibungen dargestellt. Dabei wird deutlich, inwieweit Jungen von einer geschlechtsspezifisch qualifizierten Jugendhilfe profitieren können. So gesehen wird hier die Jungenperspektive eingenommen. Eindrücklich lässt sich in dem Beitrag nachlesen, dass eine Defizitsicht zu keinem Erfolg führen kann; hingegen wird die Rede von der Ressourcenorientierung greifbar: an Kompetenzen und Selbstwertpotenziale der Jungen stehen im Mittelpunkt und verdeutlichen, dass Jungenarbeit ein positives Bild des Jungeseins braucht. Und nicht zuletzt: Jungenarbeit darf Spaß machen. In den beschriebenen Projekten zeigt sich die Bedeutung der peer-group und damit (in pädagogischer Ableitung) die Gruppenarbeit als wichtiges Handlungsinstrument. Diese Beobachtung wird im Beitrag von Peter Schwack aufgegriffen und in methodischer Perspektive ausgearbeitet. Der Autor beschreibt ein selbst entwickeltes und erprobtes Konzept zur Gruppenarbeit mit Jungen, die in einem so strukturierten Schutzraum mit pädagogischer Atmosphäre die Erfahrung des „Miteinander“ machen können – ohne ihren Wunsch nach Stärke und Leistung aufgeben zu müssen. Abschließend diskutiert Reiner Wanielik die Frage, welche Kompetenzen und Qualifikationen für Jungenarbeit in der Heimerziehung notwendig sind. Er widmet sich damit der Mitarbeiterperspektive, wobei in Auswertung verschiedener Fortbildungsprojekte (speziell zum Thema Jungenarbeit in der Heimerziehung) ein profunder Einblick in die Frage nach der Qualifizierung männlicher Pädagogen ermöglicht wird.

Wo bleibt die Jungenarbeit in der Heimerziehung? So lautete die Ausgangsfrage. Das Kaleidoskop dieses Themenheftes möchte dazu beitragen, sie sichtbarer zu machen.

Josef Koch

 

Aus dem Inhalt

Michael Behnisch:
Wo bleibt die Jungenarbeit in der Heimerziehung? Problemskizze über eine vernachlässigte Perspektive

Michael Michels, Andreas Moorkamp:
Der jungenspezifische Blick – Voraussetzung für adäquate Hilfeformen

Peter Schwack:
Konzeption und Bedeutung von Gruppenarbeit mit Jungen

Reiner Wanielik:
Näher am Mann!? Voraussetzungen für gelingende Jungenarbeit

ForE:
„Inzwischen spielt die Frage des Geschlechts eine immer größere Rolle…“ Interview mit Peter Moser von MANNE e.V., Potsdam.

Ruth Schmidt, Maren Zeller:
„So sieht es halt aus heutzutage“ Übergänge ins Arbeitsleben im Kontext der Erziehungshilfen

Friedhelm Peters:
„Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen von Kinder- und Jugendhilfe, Psychiatrie und Justiz – Indikation, Verfahren und Alternativen“ oder: Wie man wissenschaftlich Praxis aufklärt und legitimiert. Eine kurze Polemik zu einem ehrgeizigen Projekt

Erscheinungsjahr
2004
Ausgabe
3
Sammelband
Nein
Ausgabe Jahr
2004