Geschlechtsspezifische Gewalt: NGO-Berichte verdeutlichen die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Mädchen* und Frauen*

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Im Zuge des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November weist die IGfH exemplarisch auf aktuelle Reports und Berichte hin, die die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Mädchen* und Frauen* im internationalen Vergleich aber auch bundesweit beleuchten.

Der 
„Global Girlhood Report 2021“ von Save-the-Children verdeutlicht: Die COVID-19-Pandemie ist für Mädchen* und junge Frauen* mehr als eine Gesundheitskrise. Sie führt darüber hinaus zu einer existentiellen Bedrohung ihrer Rechte auf Schutz, Teilhabe und Bildung mit unverhältnismäßigen (Langzeit-)Folgen für diese besonders vulnerable Gruppe.

Formen geschlechtsspezifischer Gewalt wie bspw. Zangsverheiratungen von Mädchen haben drastisch zugenommen (in Teilen Indiens um bis zu 27%). Schulschließungen, prekäre Lebenslagen und Arbeitsplatzverlust erhöhren den Druck auf Mädchen, zu heiraten. Im internationalen Durschnitt haben Mädchen 22% mehr Schultage verpasst als Jungen, da sie in höherem Maße haushalterische Tätigkeiten und Care-Arbeit in der Familie übernehmen und dadurch unter Familialisierung leiden. Diese und weitere Themen wie Kinderarbeit, häusliche und/oder sexualisierte Gewalt, psychische, sexuelle und reproduktive Gesundheit und körperliche Unversehrtheit werden schlaglichtartig und vergleichend aus einzelnen Länder-Standorten skizziert. Daneben fragt der Report nach der Umsetzung fundamentaler Rechte, dem Zugang zu Bildung und nach politischer Mitbestimmung in Zeiten der Pandemie. Dabei geht der Bericht auch auf die Situation von Mädchen* mit Behinderung, geflüchteten Mädchen* sowie Mädchen* und Frauen* in ländlichen Regionen ein.

Ein im November veröffentlichter 
Bericht der UN Women beleuchtet weiter Lebenslagen und Sicherheitsgefühl von Mädchen* und Frauen* in Zeiten der Pandemie – sowohl im privaten als im öffentlichen Raum. Der Report basiert auf Umfragedaten aus 13 Ländern und über 16.000 teilnehmenden Mädchen* und Frauen*. Auch wenn die Altersspanne der Befragten hier bis ins höhere Erwachsenenalter reicht, zeigt auch dieser Bericht, dass pandemie-bedingte Lockdowns, Isolation und damit das Wegbrechen von Hilfesystemen und sozialen Infrastrukturen zu einer „Schattenpandemie“ der Gewalt gegen Frauen* und Mädchen* führte. Die Auswirkungen auf die jüngeren Altersgruppen (ab 15 Jahre) sind dabei am stärksten.

Eine von zwei befragten Frauen berichtet, dass sie oder eine Frau, die sie kennen, seit der COVID-19-Pandemie eine Form von körperlicher oder psychischer Gewalt erlebt hat. Bestehenden Konflikte in den Haushalten haben seit Beginn der Pandemie zugenommen, 21% der Frauen nannten hier körperliche Misshandlung. 40% der Befragten gaben an, dass sie sich außerhalb ihres Zuhauses als zuvor Gewalt ausgesetzt fühlen. Etwa 3 von 5 Frauen denken, dass sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum während COVID-19 zugenommen hat.

Auch auf europäischer Ebene gerät die Bekämpfung von Gewalt gegen Mädchen* und Frauen*, wie sie in der Istanbul Konvention vorgesehen ist, unter Druck. Die Türkei, die den völkerrechtlichen Vertrag als erster Staat am 14. März 2012 unterzeichnet und ratifiziert hatte, ist nun der erste Staat, der die Konvention - inmitten der Corona-Pandemie - aufgekündigt hat. 
Die IGfH berichtete...


Für Deutschland hat das "Bündnis Istanbul-Konvention" im Sommer 2021 einen Alternativbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland veröffentlicht. Dieser geht auch auf die Verantwortung blinde Flecken in der Kinder- und Jugendhilfe ein. "Drei Jahre nach Inkrafttreten des Übereinkommens in Deutschland fehlt es an einer ressortübergreifenden Gesamtstrategie, handlungsfähigen Institutionen und an notwendigen Ressourcen, um das Recht aller Frauen* und Mädchen* auf ein gewaltfreies Leben umzusetzen. Insbesondere für Gruppen, wie Frauen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte, mit Behinderungen, diversen geschlechtlichen Identitäten oder in Wohnungslosigkeit, ist der in der Konvention verankerte Zugang zu Prävention, Schutz, Beratung und Recht nach wie vor mangelhaft", so das Bündnis.
Die im "Ampel-Koalitionsvertrag" angekündigte strukturelle Gesamtstrategie zur Umsetzung der Istanbul Konvention ist daher zu begrüßen (siehe auch Bericht und Analysen des 
Institut für Menschenrechte vom 25.11.2021).