Junge Menschen auf der Flucht – Auch die Kinder- und Jugendhilfe ist gefragt!

Informationen zu Tagungen, geplanten gesetzlichen Veränderungen, Stellungnahmen

Heute sind etwa 51,2 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht; so viele wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Sie fliehen vor Not, Angst und politischer Verfolgung. Zu Millionen sehen sich Menschen auf der ganzen Welt gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Vor allem aus den Krisenregionen in Afrika und dem Nahen Osten versuchen viele, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen - oft verlieren sie dabei ihr Leben. Vor allem die Situation der jungen Menschen, die allein oder mit ihren Familien in den Staaten Westeuropas ankommen, wird immer stärker zum Thema von Abwehrtendenzen und Diskussionen rund um die sozialen Sicherungssysteme.

Dabei kommt es aus der Perspektive der jungen Flüchtlinge und ihrer Familien zunächst darauf an, dass sie nach oft langen und strapaziösen Fluchtwegen und sehr belastenden Erfahrungen vor und während der Flucht, zunächst unmittelbar wirkenden Schutz und die vielfältigen Unterstützungen erhalten, die sie brauchen, um sich in der völlig neuen Lebenssituation sozial, sprachlich, rechtlich und in Bezug auf ihre Herkunft und Zukunft zurechtzufinden. Auch die Bundesregierung ist – laut eigenem Koalitionsvertrag – verpflichtet, die UN-Kinderrechtskonvention, das Haager Schutzabkommen und diverse EU-Richtlinien umzusetzen.

Derzeit gibt es dringende Bemühungen von Bund und Ländern, die Anforderungen, die sich für einige Kommunen bei der Inobhutnahme und Gestaltung von Anschlussleistungen der Kinder- und Jugendhilfe akut aus den gestiegenen Zahlen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge ergeben, durch ein System der bundesweiten und landesinternen Umverteilung dieser jungen Menschen zu beantworten.

Die Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen ( IGfH ) stellt im Folgenden einige Informationen zu Aktivitäten der Kinder- und Jugendhilfe und hier besonders der Erziehungshilfen zur Hilfe von jungen Flüchtlingen und ihren Familien zusammen, die in den folgenden Wochen immer wieder aktualisiert werden.

 

Tagungen/ Weiterbildungen:
zu Themen aus dem Bereich der Erziehungshilfen unter Beteiligung der IGfH


 

Parlamentarisches Gespräch der Erziehungshilfe-Fachverbände am 7. Mai 2015 in Berlin: Flüchtlingskinder in der Kinder- und Jugendhilfe

Wie können junge Menschen mit Migrationshintergrund und ihre Familien besser erreicht werden, damit sie ambulante beziehungsweise stationäre Erziehungshilfen sowie Beratung stärker annehmen können? Welche Strategien müssen entwickelt werden, um den Familien mit Migrationshintergrund besser gerecht zu werden? Dieses Fragen widmet sich das aktuelle parlamentarische Gespräch der Erziehungsverbände.

Das sechste Parlamentarische Gespräch wird veranstaltet von den Erziehungshilfefachverbänden in Deutschland Bundesverband für Erziehungshilfe ( AFET ), Bundesverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfe ( BVkE ), Evangelischer Erziehungsverband ( EREV ) und die Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH) und findet am 7. Mai 2015 in Berlin statt.

Impuls auf dem parlamentarischen Gespräch durch die IGfH zum Thema „Praxis Jugendhilfe. Umgang mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung“. Den Ablauf des parlamentarischen Gespräches finden Sie hier.

 

Fachtagung: Junge Flüchtlinge und ihre Familien im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe!
Gemeinsame Fachveranstaltung der Erziehungshilfefachverbände AFET, EREV und IGfH am 16. Juni 2015 in Frankfurt am Main

Die Fachtagung der Erziehungshilfefachverbände bettet die Diskussion um Flüchtlinge in Deutschland und ihre Aufnahme in die sozialen Unterstützungssysteme sowie die Debatte um ein neues geplantes Gesetz mit dem Titel „Gesetz zur Verbesserung der Versorgung und Betreuung unbegleiteter ausländischer Minderjähriger“ ein in die Erkenntnisse und Erfahrungen der Flüchtlingshilfe und der Erziehungshilfen. Die Tagung fragt daher auch nach Kriterien für ein umfassendes kinderrechtsbasiertes Aufnahmesystem für (unbegleitete) minderjährige Flüchtlinge in Deutschland und ihren Förderungsmöglichkeiten im Rahmen der Hilfen zur Erziehung. Der Vorsitzender, Dr. Hans-Ullrich Krause und andere Vorstandsmitglieder der IGfH, gestalten inhaltlich diese Tagung mit. Das genaue Programm des Fachtages finden Sie hier.

 

Fort- und Weiterbildung:

Unbegleitete volljährige Flüchtlinge – den Übergang in die Selbstständigkeit erfolgreich gestalten am 17.-18.09.2015 in Germerode

IGfH in Kooperation mit dem Bundesverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (B-UMF)

Die Anzahl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) in den Hilfen zur Erziehung ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Für die mit ihnen arbeitenden Fachkräfte beinhaltet das Ende der Jugendhilfe eine – im Vergleich zu anderen Jugendlichen – nochmals zugespitzte Brisanz: Die Phasen des „Ankommens in Deutschland“ und des Verstehen-Lernens der hiesigen Strukturen sind meist noch nicht abgeschlossen. Gleichzeitig verschärfen sich die Spannungen zwischen Sozial-, Arbeits- und Aufenthaltsrecht mit Eintritt in die Volljährigkeit oft massiv, nicht selten mit existenziellen Folgen, bis hin zu einer drohenden Abschiebung.

Wie können eine aktive Teilhabe und eine gute eigenständige Lebensführung der jungen Flüchtlinge gelingen? Wie kann erreicht werden, dass sie erfolgreich an die Zeit in der Jugendhilfe anknüpfen können?

Das sind Themen der Weiterbildung des B_UMF und der IGfH. Nähere Informationen finden Sie hier.

 

Vorankündigung:

Fachtag „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ im November 2015 (Termin steht Anfang Mai fest)

Abschlusstagung des gleichnamigen Praxisforschungs- und –entwicklungsprojekt (ISM, IGfH; B_UMF) unter Mitwirkung Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe

Das Projekt stellt ein Praxisforschungs- und -entwicklungsprojekt dar. Praxisforschung und Evaluation sind deshalb in besonderer Weise erforderlich, da es bislang keine systematisch sozialpädagogische Aufbereitung der Frage gibt, was unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im System der Kinder- und Jugendhilfe brauchen. Dabei gibt es in einer Vielzahl von Einrichtungen hinreichend gesättigtes Erfahrungswissen über fachliche Erfordernisse, Vor- und Nachteile bestimmter Konzeptionen, der Gestaltung von Netzwerkstrukturen und der Bedarfslage junger Flüchtlinge, das bislang allerdings nicht aufbereitet und ausgewertet ist. Die bestmögliche Aufnahme von UMF ist nur möglich, wenn sich Wissen und Strukturen analog zu den Institutionen und Trägern weiterentwickeln. Die verstärkte Betreuung, Begleitung und Bildung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in der Kinder- und Jugendhilfe bringt neue fachliche und konzeptionelle Herausforderungen für die Mitarbeitenden und beteiligten Institutionen sowie die (sozialräumlichen) Kooperationsstrukturen (z.B. Bildung, Vereine) mit sich. Bislang wurde das Thema vor allem juristisch bearbeitet oder auf speziellere Fragestellungen fokussiert (z.B. Trauma, Kindersoldaten, Herkunftsregionen). Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind qua Gesetz jedoch eine reguläre Zielgruppe der Kinder- und Jugendhilfe. Das bedeutet, dass neben einer speziellen Fachkompetenz auch normalisierende Ansätze vorhanden sind, die nicht nur das Besondere dieser Zielgruppe (z.B. Herkunft, biographische Erfahrungen, rechtliche Situation), sondern auch ihre konkreten und je individuellen Bedarfslagen als Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene berücksichtigen.

 

Gesetzesinitiative zur bundesweiten Verteilung unbegleiteter Minderjähriger Flüchtlinge durch das BMFSFJ und einige Kommentierungen sowie Stellungnahmen  

  • Aktuelle Informationen – Stand 24.04.2015

Am 24.02.2015 sowie ergänzend am 10.04.2015 hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Verbänden und anderen Interessenorganisationen Eckpunkte für ein sogenanntes „Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder- und Jugendlicher“ vorgestellt. Die aktuellste Darstellung der Planungen des BMFSFJ (10.04.2015) finden Sie hier. Das BMFSFJ stärkt hier in seinen Vorschlägen insbesondere das Kriterium des Kindeswohls im Gesetzesprozess. Gleichwohl hat sich die IGfH schon bei der Vorstellung der ersten Eckpunkte deutlich mit kritischen Anfragen eingebracht (vgl. auch den kritischen Zwischenruf von Hans-Ullrich Krause zum Treffen am 24.02.2015). Die Darstellung der geplanten gesetzlichen Veränderungen und den aktuellen Zeitplan sowie viele andere Hinweise finden Sie untenstehend im Text.

 

Aktuelle Grundsatzpapiere und Stellungnahmen:
Neben den im nachfolgenden Text angesprochenen Stellungnahmen und Kommentierungen kann zur Diskussion der vorgelegten Gesetzes-Eckpunkte auf einige aktuelle Grundsatzpapiere verwiesen werden. Diese sind beispielsweise:

 

Stellungnahme der Kinderkommission des Deutschen Bundestages: Auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge stehen unter dem Schutz der UN-Kinderrechtskonvention
Die Kinderkommission hat sich in ihrem öffentlichen Expertengespräch am 4. Februar 2015 mit der Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge befasst. Vor dem Hintergrund des anstehenden Gesetzgebungsverfahrens zur „Aufnahmeverpflichtung der Länder zur Ermöglichung eines am Kindeswohl ausgerichteten landesinternen und bundesweiten Verteilungsverfahrens“ hat die Kinderkommission einige Anregungen und Forderungen, die sie zum Schutz der genannten Personengruppe als dringend notwendig berücksichtigt sehen möchte. Die Stellungnahme finden Sie unter: https://www.bundestag.de/blob/365844/7370a2e04a7cd8ff25a71f5765babcb2/stellungnahme-umf-data.pdf

 

Kriterien und Anforderungen an den weiteren Aufbau von Strukturen zur Aufnahme und Versorgung von UMF in Deutschland vom Bundesverband minderjährige Flüchtlinge
Der B_UMF nennt hier aus seiner Sicht Kriterien, die vor Ort erfüllt sein müssen, damit eine angemessene, d.h. dem individuellen Kindeswohl gerecht werdende, Betreuung und Versorgung der Minderjährigen gesichert werden kann. In einem zweiten Schritt werden die Erfordernisse an eine Beteiligung der Jugendlichen benannt. Anschließend wird der Bedarf an übergeordneter Unterstützung für den Aufbau von Strukturen vor Ort benannt.
http://www.b-umf.de/images/Stellungnahme_AufbauStrukturen_BUMF_04032015.pdf

 

Vorschlag der BAGFW für eine geänderte Zuständigkeitsregelung: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge schützen, fördern und beteiligen!
Vor dem Hintergrund dieser Diskussionen und in Erweiterung ihrer Stellungnahme vom 18.11.2014 schlägt die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege ein anderes System der Zuständigkeit und Kostenerstattung vor, um durch den Auf- und Ausbau von Kompetenzzentren für Schutz, Förderung und Beteiligung der jungen Flüchtlinge die Wahrung ihrer Rechte sicherzustellen.

Die Landesjugendämter können dann regionale Kompetenzzentren schaffen, die die notwendige Infrastruktur für die Gewährleistung der Schutz-, Förderungs- und Beteiligungsrechte der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gemäß den Anforderungen der UN-Kinderrechtskonvention und den Standards des SGB VIII gewährleisten. Durch eine solche Regelung könne vermieden werden, dass die jungen Menschen auf einen der über 600 Jugendamtsbezirke verteilt werden, von denen die weit überwiegende Mehrheit bisher keinerlei Erfahrungen im Umgang mit jungen unbegleiteten Flüchtlingen und ihren Bedürfnissen und Bedarfen haben.
http://www.bagfw.de/uploads/media/2015-03-10_Unbegleitete_minderjaehrige_Fluechtlinge.pdf

 

Gesellschaftliche Verantwortung für junge Flüchtlinge
Stellungnahme zu den Eckpunkten für ein geplantes Gesetz von Seiten des Bundesjugendkuratoriums ( BJK )

Das BJK unterstützt nachdrücklich das Vorhaben des BMFSFJ, dass eine Verteilung der UMF unterbleibt, wenn dieser dem Kindeswohl entgegenstehende Gründe vorliegen. Das BJK sieht die Notwendigkeit, diese Gründe zu präzisieren. Nach Auffassung des BJK bieten sich anhand der Dublin III VO gute Anhaltspunkte, die eine Präzision ermöglichen. Bei der Verteilentscheidung auf die Länder sollten daher insbesondere die folgenden Aspekte im Vordergrund stehen:
http://www.bundesjugendkuratorium.de/pdf/2014-2017/BJK_Stellungnahme_UMF_0415.pdf

 

Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Der Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat sich darüber hinaus am 23.04.2015 in einem Gespräch mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) mit dem anstehenden Gesetzesentwurf beschäftigt. Hier wurde für eine Zuständigkeit der überörtlichen Träger für Inobhutnahme und Leistungsgewährung an UMF plädiert.

 

Hintergründe der Gesetzesinitiative
Hintergrund der Neuregelungen, die dann auch das SGB VIII betreffen, sind Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenzen der Länder vom 17. Oktober 2014 und vom 11. Dezember 2014. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bitten hier die Bundesregierung unter Einbeziehung der Jugend- und Familienministerkonferenz sowie der Innenministerkonferenz, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verteilung von unbegleiteten Minderjährigen nach den Quoten des Königsteiner Schlüssels sowie für eine interkommunale Verteilung nach Jugendhilferecht zu schaffen und auch entsprechende Zuständigkeitswechsel für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge zu ermöglichen.

Im Königsteiner Schlüssel ist festgelegt, wie die einzelnen Länder der Bundesrepublik Deutschland an gemeinsamen Finanzierungen zu beteiligen sind. Der Anteil, den ein Land danach tragen muss, richtet sich nach seinem Steueraufkommen und seiner Bevölkerungszahl. Auch werden Kontingentflüchtlinge und Asylbewerber nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt (§ 45 Asylverfahrensgesetz).

Der Bund wurde vor diesem Hintergrund aktuell aufgefordert, zeitnah bezüglich der Verteilung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (UMF) im Rahmen der Jugendhilfe (SGB VIII) einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Gleichzeitig verweist zugleich der Bundesverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge darauf, dass noch zwei weitere Gesetze 2015 auf den Weg gebracht werden sollen, nämlich der Gesetzesentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (geplant: Sommer 2015) sowie der Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU Aufnahmerichtlinie und der EU Asylverfahrensrichtlinie (geplant: 1. Halbjahr 2015); vgl. auch hier.

Den starken Anforderungen, die sich für einige Kommunen bei der Inobhutnahme und Gestaltung von Anschlussleistungen der Kinder- und Jugendhilfe akut aus den gestiegenen Zahlen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge ergeben, soll aber – nach Vorstellung der politisch Verantwortlichen - vor allem durch ein System der bundesweiten und landesinternen Umverteilung dieser jungen Menschen beantwortet werden.

Zusammen mit den anderen Verbänden zur Erziehungshilfe hatte sich die IGfH hier grundsätzlich kritisch gegenüber dem Vorhaben geäußert und gleichzeitig eigene Eckpunkte formuliert, außerdem hat die IGfH gemeinsam mit dem EREV ein Statement „Fachliche und fachpolitische Forderungen zur aktuellen Situation der Unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlinge (UMF) in Deutschland“ veröffentlicht.

Eine Zusammenfassung des Zeitplanes der Umsetzung sowie der Stellungnahmen zur bundesweiten Umverteilung finden Sie in der Zeitschrift Forum Erziehungshilfen Nr. 1 (2015), S. 30-31 sowie Forum Erziehungshilfen Nr. 2 (2015), S.102-104 und S. 109-112).

Im Themenschwerpunkt des Forum Erziehungshilfen Nr. 3-2015, das im Juli 2015 erscheint, diskutieren mit Statements das Thema gesetzliche Neuregelungen im UMF-Bereich:

für die BAGFW: Norbert Struck (Paritätischer Gesamtverband)
für die Länder: Manfred Walhorn (NRW)
für den Bund: Bettina Bundszus (BMFSFJ)
für die Landesjugendämter: Birgit Zeller (BAG LJÄ)
für die Komm Spitzenverbände: Uwe Lübking
für den B_UMF: Thomas Berthold (B_UMF)

Näheres zum Forum Erziehungshilfen, das von der IGfH herausgegeben und inhaltlich gestaltet wird, aber im Beltz/Juventa Verlag erscheint, finden Sie hier: http://www.igfh.de/cms/igfh/forum-erziehungshilfen

 

Die Rahmendaten zum Verfahren der Umverteilung der UMF
Schon auf dem Informationsgespräch am 24.02.2015 in Berlin hat das BMFSFJ die Vorstellungen zur politisch verordneten Umverteilung der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge in Form einer SGB VIII Änderung präzisiert. Die IGfH hat sich mit einigen Partner_innen bei dem Treffen in Berlin gemeinsam mit anderen Vertreter_innen auch jenseits der reinen Quotenfragen nochmals inhaltlich für Verbesserungen stark gemacht. So werden zum Beispiel die Möglichkeiten des Rechtschutzes bei der Umverteilung angesprochen, die Gewährleistung einer vormundschaftlichen Versorgung betont, aber auch auf die Notwendigkeit einer unabhängigen Evaluation der angestrebten neuen Regelungen hingewiesen. Auch scheint der IGfH die Gefahr der Standardabsenkung und einer Zweiteilung der Kinder- und Jugendhilfe für junge Menschen hier Vorschub geleistet zu werden Im Folgenden werden die wichtigsten Eckpunkte der Veränderungen vorgestellt.

  • Das BMFSFJ erklärte beim Berliner Gespräch auf Nachfrage, dass das neue Gesetz vorsehe, in jedem Bundesland eine landesinterne Umverteilungsstelle einzurichten. Dort würde dann unter Berücksichtigung des Kindeswohls über eine Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel entschieden. Diese Landesstellen regeln die Verteilung auf die Kommunen. Ohne gesonderte Regelung über das Landesrecht geht diese Aufgabe an die Landesjugendämter.
  • Zur Umsetzung einer bundesweiten Verteilung wird der Bund bei einer Bundesbehörde eine zentrale Stelle zur Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen einrichten. Die Bundesbehörde legt das aufnehmende Bundesland fest. Die Verteilung nach einer Quote auf der Grundlage des Königsteiner Schlüssels beinhaltet eine Übergangsphase mit Pflicht zur stufenweisen Erhöhung der Aufnahmequoten. Die Aufnahmerichtlinien des BMI bleiben ausschlaggebend.
  • Die Länder sollten im besten Fall Kompetenzzentren bilden bzw. vorhandene ausbauen, „um den Bedarfen der jungen Menschen fachlich und strukturell qualifiziert gerecht werden zu können“, so das BMFSFJ beim Vorstellungstermin (Zuständigkeitskonzentration). Selbstverständlich müsse es eine Übergangsphase zum Ausbau der notwendigen Strukturen geben. Voraussetzung für eine Übernahme von zu verteilenden Jugendlichen sei, „dass das aufnehmende Jugendamt geeignet sei“, dafür wäre in jedem Bundesland „die Eignung der Zuweisungsjugendämter zu formulieren“. Das Verfahren muss nicht genutzt werden, wenn die betroffenen Jugendämter andere Wege finden (flächendeckende Verteilung). Der Gesetzgeber wolle lediglich eine Möglichkeit zur Verteilung verankern. Damit haben die Länder die rechtliche Gestaltungsaufgabe festzulegen, ob sie Schwerpunktjugendämter bilden oder ob sie junge Menschen mit dramatischen Fluchterfahrungen auf alle Landkreise nach einem mathematischen Zuweisungsverfahren verteilen.

Die weiteren Präzisierungen und aktuellste Darstellung der Planungen des BMFSFJ (10.04.2015) finden Sie hier.

 

Ablauf des Verfahrens und Änderungen des SGB VIII

  • Die bundesweite Verteilung soll durch die Bundesstelle erfolgen, an die eine Landesstelle den entsprechenden Bedarf meldet. Dafür erfolgt vor der Umverteilung eine vorläufige Inobhutnahme (neu SBG VIII § 42a). Diese sogenannte „vorläufige Inobhutnahme“ soll maximal 7 Tage dauern. Hier sind dann lediglich – neben den jugendhilferechtlichen Pflichtaufgaben der Jugendämter - eine Prüfung der Minderjährigkeit und ein Gesundheitscheck vorgesehen.
  • Die maximale Frist bis zur Fallübernahme durch das Zuweisungsjugendamt soll 14 Tage betragen.
  • Erst am Ort der Zuweisung soll dann ein Vormund bestellt werden. Hier erfolgt die „endgültige“ Inobhutnahme, das Clearing, die Anschlusshilfe.
  • Die Jugendlichen sollen im Falle der Verteilung durch eine geeignete Person an den Zielort begleitet werden, wo dann eine Übergabe vom übergebenden zum übernehmenden Jugendamt erfolgt. Voraussetzung für alle Verfahrensschritte sind die Vorgaben des Jugendhilferechts.
  • Am bewährten Clearingverfahren würde festgehalten, so das BMFSFJ, im Falle einer Verteilung würde dieses Verfahren jedoch zweigeteilt in ein schnelles Screening am Einreise- und ein qualifiziertes Clearing am Zuweisungsort. Damit solle gewährleistet werden, dass für die Entscheidung über den Ort der Zuweisung zumindest die Frage nach verwandtschaftlichen Präferenzen geklärt sei.
  • Nur wenn das Verfahren länger als 2 Monate dauert, werden die jungen Menschen nicht mehr verteilt.
  • Auch Gründe, die den Kindeswohlaspekt berühren, sollen berücksichtigt werden. Dies beinhalte neben konkreten psychischen und physischen Gefährdungslagen auch die bereits erfolgte Zuordnung der Jugendlichen zu Peergroups, mitreisende Geschwisterkinder und Verwandte.
  • Vorrang soll immer die landesinterne Umverteilung haben, darüber hinaus soll dann landesnah verteilt werden.
  • Schließlich soll in § 89d SGB VIII der Kostenausgleich transparent und nachvollziehbar neu geregelt werden. Wie dies konkret geschehen soll, scheint noch nicht klar zu sein. Festzustehen scheint, dass die Länder die ersten 14 Tage in den Kommunen refinanzieren ohne Einschluss der Verwaltungskosten.

Wichtig und positiv ist, dass nach dem neuen Gesetz – wie schon vor fast einem Jahr angekündigt – die Definition der vollen Handlungsfähigkeit von jungen unbegleiteten Flüchtlingen vom 16. auf das 18. Lebensjahr heraufgesetzt wird und der Aufenthaltsstatus der Betroffenen besser gesichert werden soll, so dass sie z.B. zeitnah eine Ausbildung beginnen und diese auch beenden sowie von Anfang an Jugendhilfeleistungen in Anspruch nehmen können.

Welche Zeitabläufe zur Umsetzung sind geplant?

  • Der Gesetzentwurf sollte nach den bisherigen Planungen bis kurz vor Ostern vorliegen.
    Die Zeitplanung hat sich deutlich verschoben. Mittlerweile wird mit dem Erscheinen des Referatsentwurfes erst im Mai gerechnet.
  • Es ist damit zu rechnen, dass das Gesetzgebungsverfahren dann mit Beratung und Anhörung 4 Monate dauert.
  • Nach dem bisherigen Wissen ist mit einer einmaligen Anhörung der Verbände im Sommer 2015 zu rechnen.
  • Das Gesetz soll vor der Sommerpause verabschiedet werden.
  • Das Gesetz soll dann drei Monate nach Verkündigung, d.h. wahrscheinlich im Oktober 2015 in Kraft treten.
  • Geplant ist eine dreimonatige Übergangsfrist, so dass die neuen Regelungen ab dem 1. Januar 2016 greifen könnten.

 

Sozialpädagogische Fragestellungen jenseits des Gesetzesvorhabens
Das Gesetzesvorhaben ist auf der politischen Seite zwischen dem Bund und den Ländern sehr konsensual abgestimmt. Das heißt aber nicht, dass nach Vorliegen des Gesetzesentwurfes von Seiten der IGfH und anderer Partner_innen nicht noch versucht werden sollte, einerseits konkrete Verbesserungen für die jungen Menschen zu erreichen, die z.B. die rechtlich-partizipative Vertretung der jungen Menschen oder die Verhinderung von rein rechnerischen Verteilungsverfahren für die von Flucht geschädigten jungen Menschen betreffen. Andererseits gilt es immer wieder grundsätzlich deutlich zu machen, dass durch eine politisch motivierte schematische Umverteilung von jungen Menschen aus anderen Ländern und der Einführung eines Jugendhilferechtes mit veränderten Grundbedingungen für einzelne Gruppen von Heranwachsenden eine höchst problematische Zweiteilung der Jugendhilfe-Standards Vorschub geleistet wird.

Zentral ist es und wird es auch zukünftig sein, sich verstärkt mit der sozialpädagogischen Frage auseinanderzusetzen, jenseits aller Debatten um Verfahren und Verteilungszahlen, was unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Kinder- und Jugendhilfe brauchen. Da sich zunehmend auch neue Einrichtungen für UMF ausgründen, gilt es deutlicher und transparenter zu machen, welche Anforderungen sich für Einrichtungskonzepte, die Gestaltung von Hilfeplanungsprozessen und die Einbindung in soziale Netze ergeben.

Bei der Analyse der Kinder- und Jugendhilfe im Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen verdichten sich wie unter einem Brennglas allgemeine strukturelle Fragen (interkommunale Disparitäten, unterschiedliche fachliche Standards in der Unterbringung, immer noch ungenügend ausgebildete Migrationssensibilität, Handlungsunsicherheiten der Fachkräfte, Rassismus in der Jugendhilfe, Prozesse des Verlegens und Abschiebens, Spezialeinrichtungen und Alltagsnähe etc.), die es zu bearbeiten gilt.

Einige Erkenntnisse, die es auch in der Gestaltung des obigen Gesetzesvorhabens zu berücksichtigen gilt,  könnte dazu das Projekt des ISM Mainz in Kooperation mit der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH), dem Bundesfachverband Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtlinge
(BUMF) und dem Evangelischen Fachverband für Erzieherische Hilfen in der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ beisteuern. Mehr Infos

 

Die IGfH als Fachverband für erzieherische Hilfen beschäftigt sich seit vielen Jahren und aktuell mit der Lebens und Unterbringungssituation von jungen unbegleiteten Flüchtlingen zum Beispiel im Rahmen der Arbeit ihrer Fachgruppen (Inobhutnahme, Heimerziehung, Erziehungsstellen und Pflegekinderhilfe, Mädchen und Frauen etc.). Zudem wurde auf der letzten Delegiertenversammlung der IGfH eine kontinuierliche Arbeitsgruppe, die quer zu den Fachgruppen arbeiten soll, ausgegründet.

Die Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen wird im obigen Sinne in diesem Jahr verstärkt den Diskussionsprozess – nicht nur rund um das beabsichtigte Gesetzesvorhaben – kritisch sozialpädagogisch begleiten.

Darüber hinaus ist es wichtig, auch die Situation von flüchtenden Kindern und ihren Familien außerhalb Deutschlands solidarisch im Blick zu behalten. So halten sich zum Beispiel ca 500.000 syrische Flüchtlingskinder in Lagern im Libanon auf. Viele dieser Kinder gehen nicht zur Schule, sie haben enge Familienangehörige und jegliche Orientierung im Leben verloren (vgl. dazu auch die Initiative Sektion der Fédération Internationale des Communautés Educatives ( FICE International) und der Schweizerischen Stiftung Internationaler Sozialdienst, die die IGfH als deutsche Sektion der FICE International seit Januar 2015 unterstützt: Ihre Unterstützung auch in Deutschland für Safe Parks für syrische Flüchtlingskinder im Libanon).

 

 

 

 

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